Ballistische Helme erklärt
Der Kopf ist der wohl am stärksten exponierte – und damit verletzlichste – Teil des Körpers, wenn Geschosse auftreffen. Als Reaktion auf diese Tatsache haben zahlreiche Hersteller von ballistischen Schutzprodukten technologisch fortschrittliche Helme entwickelt, um den Kopf in gefährlichen Situationen zu schützen. Die Herausforderung besteht darin, den richtigen Helm für den jeweiligen Einsatz zu finden, weil es inzwischen so viele verschiedene Kategorien von Helmen gibt. Jeder hat seine eigenen Design- und Leistungsmerkmale, um die verschiedenen ballistischen Normen zu erfüllen. In diesem Blogbeitrag geht es um ballistische Helme von heute, um deren Herstellung sowie die zu erfüllenden Schutzklassen und wie diese nachgewiesen bzw. zertifiziert werden.
Der ballistische Helm der Neuzeit - ein einsatzkritisches Ausrüstungsstück
Der Hauptzweck eines ballistischen Helmes ist natürlich der Schutz – der Schutz vor potenziellen Bedrohungen, die bei militärischen oder polizeilichen Einsätzen auftreten. Zu diesen Bedrohungen gehören natürlich Geschosse, aber auch Splitter, Schrapnelle, stumpfe Schläge und Stürze. Die Wahl des Materials, aus dem ein ballistischer Schutzhelm besteht, kann die Schutzwirkung des Kopfschutzes beeinflussen. Dies gilt auch für die Dicke des Materials, die Form des Helms und seine Innenausstattung (einschließlich der Gurte).
Heutzutage werden jedoch zunehmend Spezialausrüstungen, wie Gehörschutz und Kommunikationssysteme, Nachtsicht- und Atemschutzgeräte verwendet. Folglich hat ein Kampfhelm nicht nur die Aufgabe, zu schützen, sondern auch als Plattform zu dienen, die in der Lage sein muss, zusätzliche einsatzkritische Ausrüstung aufzunehmen und intelligent zu integrieren.
Wie bei jeder Schutzausrüstung ist der Komfort ein sehr wichtiger Faktor. Der Anwender muss den Helm über einen längeren Zeitraum bequem und ermüdungsfrei tragen, um dynamische Einsätze durchführen zu können. Deshalb ist es wichtig, dass die Innenausstattung eines Helmes persönliche Anpassungsmöglichkeiten bietet, um sicherzustellen, dass der Schutzhelm für den täglichen Gebrauch und längere Einsätze bequem genug ist.
Die am häufigsten verwendeten Materialien für ballistische Helme
Ballistische Helme gibt es in verschiedenen Ausführungen. Diese lassen sich anhand der Wahl des bei der Herstellung der Helme verwendeten Materials definieren.
Helme aus Polyethylen und Aramid
Helme aus Polyethylen- und Aramid-Fasern bieten bei geringem Gewicht einen hohen Schutz vor Splittern und Explosionen. Der Nachteil ist, dass der Aufprall von Geschossen das Material erheblich verformt, was zu tödlichen Verletzungen führen kann.
Außerdem ist die Schutzfläche von Aramid-Helmen kleiner, so das Geschosse eher aus größerer Entfernung vom Rand aufgehalten werden. Dennoch eignet sich diese Art von Helmen besonders für Militärangehörige, die der Gefahr von Explosionen und Splittern ausgesetzt sind und einen leichten Helm benötigen, der über mehrere Stunden getragen werden kann.
Titan & Titan-hybrid Helme
Helme aus Titan und einer Kombination aus Titan und Aramid oder Polyethylen verformen sich beim Auftreffen eines Geschosses nur geringfügig und sind auch im Randbereich kugelresistent. Sie bieten daher eine große wirksame Schutzfläche gegen Geschosse.
Es gibt viele Gründe, warum Titanhelme derzeit als die beliebtesten ballistischen Helme auf dem Markt gelten. Hier sind die wichtigsten davon:
- MAXIMALE SCHUTZFLÄCHE
Die Helmschale ist bei allen Varianten bis zu 10 mm vom Rand kugelresistent (d. h. über 90 % der Helmoberfläche sind geschützt). Im Gegensatz dazu kann die Schutzfläche von Aramidhelmen bis zu 50 % betragen. Bei den oberflächengleichen ballistischen Helmen aus Aramid liegt sie zwischen 50 und 100 %.
- HÖCHSTER GRAD AN DURCHSCHUSSHEMMUNG
Titanhelme haben die höchste Durchschusshemmung gegen Munitionstypen/Kaliber in den Prüfstufen VPAM 3 (9X19 DM 41 8,0g VM) und in den Hybridvarianten VPAM 4 (.44 Rem. Mag., FM J 16,2g und .357 Mag, KSVM 10,2g).
- ÜBERLEGENE SCHUTZWIRKUNG
Helme aus Titan bieten einen hervorragenden Schutz gegen die Restenergie, die von Geschossen übertragen wird. Nach der Technischen Richtlinie (TR) liegt der maximale Restenergiewert mit 10 Joule deutlich unter dem zulässigen Höchstwert der Richtlinie von 25 Joule und erreicht nur einen Bruchteil der für Aramidhelme üblichen Werte (die bei gleichem Kaliber ((9×19)) etwa 60 bis 120 Joule übertragen). Dieser Wert von Aramidhelmen entspricht in der Regel tödlichen Verletzungen.
- MODULARER AUFBAU
Titanhelme verfügen in der Regel über standardisierte Schnittstellen für Nachtsichtgeräte, Schutzmaske, Gehörschutz, Funkgerät, Lampe, Mikrofon und weiteres wichtiges Zubehör.
Helme aus reinem Titan sind schwerer als Aramid-Helme und bieten einen geringeren Schutz gegen Splitter. Im Vergleich dazu sind Titan-Hybridhelme leichter als reine Titanhelme der jeweiliger Schutzklasse und bieten hohen Komfort für den Träger.
Daher werden Hybridhelme häufig von Polizei- und Spezialeinheiten verwendet, da sie ein geringeres Gewicht mit höherem Schutz und den besten Eigenschaften beider Materialien kombinieren: Titan und Aramid oder Polyethylen.
Überblick Helmkategorien
Die Helmkategorien haben sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Dies sind die Kategorien, die derzeit bestehen:
PASGT (PERSONNEL ARMOR SYSTEM FOR GROUND TROOPS)
Diese Helmkategorie gibt es seit 2010. PASGT-Helme bestehen aus Lagen von Kevlarfasern und werden daher manchmal als “K-Pot” oder “Kevlar”-Helme bezeichnet. Diese werden von Zeit zu Zeit vom Militär verwendet.
MICH (MODULAR INTEGRATED COMMUNICATIONS HELMET)
Helme dieser Kategorie bieten geringeren Schutz, haben aber den Vorteil, dass sie leichter und bequemer sind und sich gut mit Zubehör wie Nachtsichtgeräte und ballistische Visiere kombinieren lassen. Für die Herstellung von MICH-Helmen, die eigentlich eine verbesserte Version der PASGT-Helme sind, werden fortschrittliche Kevlarfasern verwendet. MICH-Helme sind bei Polizei- und Militäreinheiten weltweit beliebt. Je nach Schutzbedarf sind die MICH-Helme in verschiedenen Schnittformen erhältlich (Basislinie “Full Cut”, “High Cut” und “Gunfighter Cut”).
ACH (ADVANCED COMBAT HELMET)
ACH-Helme haben die gleiche Form wie die der MICH-Kategorie, jedoch mit einem bemerkenswerten Unterschied: die Rampe an der Stirn ist hier entfernt. Diese Änderung verbessert die Fähigkeit des Trägers, nach oben zu schauen und Nachtsichtgeräte anzubringen. Daher werden ACH-Helme als eine Stufe über die MICH-Helme angesehen.
ECH (ENHANCED COMBAT HELMET)
Moderne ECH-Helme wiegen weniger als ihre Vorgänger, da sie aus ultrahochmolekularem Polyethylen bestehen. Außerdem bieten sie einen besseren Schutz gegen Splitter und Gewehrgeschosse. Die ECH-Helme wurden als Ersatz für die derzeit verwendeten Kampfhelme entwickelt.
FAST (FUTURE ASSAULT SHELL TECHNOLOGY)
FAST-Gefechtshelme werden häufig von Spezialeinheiten und Strafverfolgungsbehörden verwendet. Helme dieser Kategorie zeichnen sich durch ein Schalendesign aus, das hoch über den Ohren geschnitten ist, was die Integration von Headsets, Lampen und Kameras erleichtert. Die FAST-Helme werden aus Polyethylen hergestellt, um geringes Gewicht zu erzielen. Vor allem in Deutschland werden FAST-Helme mit modularen Erweiterungen angeboten, z. B. mit Aufrüstplatten.
Ballistische Standards & Prüfverfahren für Helme
Gemäß der Technischen Richtlinie (TR) müssen ballistische Helme mehrere Anforderungen erfüllen, um die Sicherheit des Helmes zu gewährleisten. Erstens müssen Helme chemikalienabweisend sein, um als funktionsfähig zu gelten. Zweitens müssen die zur Herstellung des Helmes verwendeten Materialien flammhemmend und stoßdämpfend sein. Drittens dürfen ballistische Helme keine scharfen oder hervorstehenden Kanten aufweisen, die den Träger verletzen könnten.
Um zu beweisen, dass ballistische Helme diese Anforderungen erfüllen, müssen sie umfangreichen Tests unterzogen werden. Die Tests sind so aufgebaut, dass die Leistung des Helmes unter den härtesten Einsatzbedingungen überprüft wird. Eine der für die Prüfung verwendeten Normen ist die vom National Institute of Justice (NIJ) entwickelte Norm.
NIJ STANDARD 0106.01
Nach Angaben des NIJ werden ballistische Helme je nach Leistungsstufe in drei Typen unterteilt:
Level I
Ein ballistischer Helm muss Schutz gegen Standard-Testgeschosse und geringere Bedrohungen, wie Bleischrot Kaliber 12 Nr. 4 und die meisten Handfeuerwaffengeschosse der Kaliber 25 und 32 bieten.
Level II-A
Ein ballistischer Helm muss zusätzlich zu den Bedrohungen der Stufe I Schutz gegen die Standard-Testgeschosse und geringere Bedrohungen wie Kaliber 12 00 Schrot, Kaliber 45 Automatic, Kaliber 22 Long Rifle High-Velocity, 38 Special und einige andere Fabrikladungen im Kaliber 357 Magnum und 9 mm bieten.
Level II
Ein ballistischer Helm muss gegen die meisten werkseitigen Handfeuerwaffenladungen in den Kalibern 9 mm und 357 Magnum sowie gegen weniger gefährliche Waffen, wie Kaliber 12 00 Buckshot, 45 Automatic, 22 Long Rifle High-Velocity und High-Velocity 38 Special schützen.
Es gibt auch eine Stufe III-A, die jedoch nicht in der offiziellen NIJ-Norm enthalten ist. Dennoch stellt die Stufe III-A den aktuellen Maßstab für ballistische Helme dar, die von Militär und Spezialeinheiten verwendet werden.
Stufe III-A bietet einen höheren Schutz als Stufe II und gegen die meisten werkseitigen Handfeuerwaffenladungen in den Kalibern 44 Magnum, 9 mm und 357 Magnum sowie gegen geringere Bedrohungen. Helme der Stufe III-A bieten jedoch zusätzlich einen erhöhten Schutz vor Projektileinschlägen, die in modernen Kampfumgebungen immer häufiger vorkommen.
PRÜFVERFAHREN NIJ STANDARD 0106.01
ÜBERTRAGENE KRAFT:
- 1 Helm/Testmunition
- Getestet bei Umgebungsbedingungen
- 4 Aufprallstellen: Helm hinten, vorne, links, rechts
- Lineare Spitzenbeschleunigung <400 g
- Korrelation mit Verletzung unbekannt
DURCHDRINGUNGSWIDERSTAND:
- 2 Helme
- 1 Helm bei Umgebungsbedingungen getestet
- Helm nasskonditioniert (Eintauchen 2-4 Stunden)
- Nur Level I, II-A und II erforderlich
- Keine ballistischen Grenzprüfungen (V50)
- 4 Aufprallstellen: Helm hinten, vorne, links, rechts
Mehr über die NIJ-Normen und Testmethoden erfahren Sie in unserem Blogartikel “Ballistische Standards erklärt – NIJ”.
VPAM HVN 2009
Ein entscheidendes Unterscheidungskriterium zwischen NIJ 0106.01 und VPAM HVN 2009 ist bei den ballistischen Helmnormen die Verformung. VPAM misst diese, während NIJ sie nicht misst.
PRÜFVERFAHREN VPAM HVN 2009
Dies sind die Prüfanforderungen, die in VPAM HVN 2009 festgelegt sind:
Für den ersten Test* müssen fünf Treffer auf einem Helm platziert werden. Die Treffer müssen gleichmäßig auf der Oberfläche verteilt sein. Ein weiterer Treffer muss an beliebiger Stelle, 20 + 5 mm vom Rand und mindestens 80 mm von einem bereits erfolgten Treffer entfernt angebracht werden.
Bei der zweiten Prüfung** sind an zwei Helmen mit kompletter Innenausstattung an beliebigen Stellen je zwei Treffer anzubringen, um die Restenergie zu ermitteln.
- Prüfung 1: Der Helm ist mittels einer starren Vorrichtung so zu befestigen, dass er durch den Schuss nicht aus der Haltevorrichtung gelöst werden kann.
- *Prüfung 2: Der Helm wird auf einen Messkopf aufgesetzt und befestigt; der Kinnriemen wird angelegt. Bei der Prüfung ist darauf zu achten, dass der Helm in eine Position gebracht wird, in der nicht die gesamte Masse des Messkopfes auf den Kinnriemen wirkt.
Wir empfehlen Ihnen unseren Artikel über VPAM, damit Sie mehr über diese ballistische Norm erfahren können: “Ballistische Standards erklärt – VPAM”.
Zusammenfassung
Die gestiegenen Anforderungen haben in den letzten Jahren zur Entstehung der ballistischen Helmkategorien PASGT, MICH, ACH, ECH und FAST geführt. Unabhängig von der Kategorie werden ballistische Helme entweder aus Polyethylen und Aramid, Titan oder einer Mischung aus Titan und Aramid hergestellt. Die Wahl des verwendeten Materials hängt von den jeweiligen Schutzanforderungen ab, die der Helm erfüllen soll. Bevor sie ihren Weg auf die Köpfe von Militär- und Strafverfolgungsbeamten finden, werden ballistische Helme umfangreichen Tests unterzogen, um sicherzustellen, dass sie die versprochenen Leistungen erbringen. Die Tests werden unter Bedingungen durchgeführt, die von Routine bis hin zu extrem harten Bedingungen reichen. Die für diese Tests verwendeten Normen sind NIJ 0106.01 und VPAM HVN 2009.
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