
Ballistischer Schutz für militärische Luftfahrzeuge – Herausforderungen und Lösungen
Militärische Hubschrauber sind essenzielle Plattformen für Transport-, Aufklärungs- und Kampfeinsätze. Gleichzeitig sind sie durch ihre leichte Panzerung und oft niedrige Flughöhe besonders verwundbar gegenüber ballistischen Bedrohungen.
Während für Landfahrzeuge Standards wie STANAG 4569 existieren, sind Schutzsysteme für Luftfahrzeuge weniger normiert. Zudem müssen Schutzlösungen den strengen Zulassungsvorschriften der EASA (European Union Aviation Safety Agency) oder nationaler Luftfahrtbehörden entsprechen.
Bedrohungen für militärische Helikopter
Neben klassischen Luft-Luft-Bedrohungen, die beispielsweise von feindlichen Helikoptern oder Kampfjets ausgehen, gibt es eine Vielzahl bodengebundener Bedrohungen wie Luftabwehrsysteme. Aber auch Handfeuerwaffen stellen, besonders während der Start- und Landephase aufgrund der kurzen Distanz eine ernst zu nehmende Bedrohung dar.
Kinetische Energie-Bedrohungen (KE-Bedrohungen)
Die größte Gefahr geht von Handfeuerwaffen, Maschinengewehren und leichten Bordkanonen aus. Besonders gefährlich sind:
- Kaliber 7,62 mm bis 12,7 mm – häufig gegen niedrige fliegende Hubschrauber eingesetzt.
- Kaliber 14,5 mm bis 23 mm – größere Bedrohung in asymmetrischen Konflikten.
- Flugabwehrkanonen bis 30 mm – primär von konventionellen Streitkräften genutzt.
Da Helikopter nicht vollständig gepanzert werden können, konzentrieren sich Schutzmaßnahmen in der Regel auf kritische Bereiche wie das Cockpit und den Frachtraum.
Schultergestützte Flugabwehrraketen (MANPADS)
Neben ballistischen Bedrohungen stellen schultergestützte Flugabwehrraketen (MANPADS) wie die Stinger oder Igla eine große Gefahr dar. Diese Waffen verfolgen Hubschrauber durch deren Wärmesignatur und können gezielt Schwachstellen wie das Triebwerk treffen.
Gegenmaßnahmen:
- Infrarot-Täuschkörper (Flares)
- DIRCM (Directed Infrared Countermeasures) zur Ablenkung von Suchköpfen
Airburst Munition
Abgeschossen durch beispielsweise moderne 40-mm-Kanonen sind Airburst Munitionen besonders wirksam gegen Luftziele.
Airburst Munition explodiert, bevor sie auf ein Ziel trifft, und setzt dabei Dutzende von Wolfram-Subprojektilen über ein weites Gebiet frei. Dadurch können Hubschrauber, Leichtflugzeuge und sogar Kampfjets ausgeschaltet werden. Je weiter die Munition vom Ziel entfernt explodiert, desto größer ist die Fläche, die die Wolfram-Subprojektile abdecken.
Drohnen
Auch für Hubschrauber stellen Drohnen eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Gegen eine mit einem Gefechtskopf ausgestattete FPV Drohne ist ein Helikopter quasi schutzlos, besonders während statischer Manöver wie beispielsweise der Verbringung von Spezialkräften.
Besonderheiten von Schutzsystemen für Luftfahrzeuge
Strenge Luftfahrtnormen und EASA-Zulassung
Alle Schutzlösungen müssen zertifiziert werden, bevor sie in den Einsatz gehen können. Besonders die EASA und nationale Luftfahrtbehörden setzen hohe Anforderungen an die verwendeten Materialien und deren Integration. Die eingebrachten Systeme dürfen die Flugeigenschaften nicht beeinträchtigen. Die Nachweisführung und Dokumentation für die entsprechenden Zulassungen sind mit enormem Aufwand verbunden. Während die EASA die Zulassung ziviler Fluggeräte, wie beispielsweise für die Polizei beschreibt, so gelten für militärische Fluggeräte separate, nicht minder umfangreiche, nationale Normen.
Besonders leichte Schutzlösungen
Da Gewicht eine besonders kritische Rolle spielt, kommen für den Schutz von Helikoptern nur ultraleichte Materialien zum Einsatz. Neben Faserverbundwerkstoffen kommen Keramikverbunde zum Einsatz, welche sich durch ein besonders geringes Flächengewicht auszeichnen.
Schutz für kritische Komponenten
Eine vollständige Panzerung ist nicht praktikabel, daher wird gezielt geschützt, was unverzichtbar für die Überlebensfähigkeit des Gesamtsystems ist bzw. dieses vor einem Absturz bewahrt.
Schutz für Pilot und Co-Pilot
Der Schutz der Piloten ist essenziell und hat die höchste Priorität bei der Konzeptionierung von Panzerungen von Hubschraubern, da ein Ausfall der Piloten gleichbedeutend mit dem unvermeidlichen Absturz des Gesamtsystems wäre.
Um die Piloten entsprechend zu schützen kommt eine Kombination aus Seitenschutz, Bodenpanzerung und ergänzenden Systemen an den Sitzen zum Einsatz.
Schutz des Frachtraums für Transport- und Truppentransporter
Transporthubschrauber spielen eine zentrale Rolle in der Truppenverlegung und Evakuierung. Diese Maschinen müssen nicht nur die Piloten, sondern auch Passagiere, was besondere Herausforderungen mit sich bringt. Schutzmaßnahmen für den Frachtraum reichen von Schutzpaneelen für die Seiten über Bodenpanzerungen bis hin zu gepanzerten Sitzen. Durch diese Maßnahmen kann die Überlebensfähigkeit von Truppen im Helikopter erheblich verbessert werden, ohne die Manövrierfähigkeit des Luftfahrzeugs zu stark zu beeinflussen.
Prüfverfahren für ballistische Komponenten in der Luftfahrt
Es gibt keinen konsolidierten Standard, welche die ballistischen Prüfkriterien für Schutzsysteme von Luftfahrzeugen vorgibt.
Stattdessen werden ballistische Schutzmaßnahmen oft nach NIJ (National Institute of Justice) oder VPAM (Vereinigung der Prüfstellen für Angriffshemmende Materialien und Konstruktionen) bewertet. Auch die STANAG 4569 kann hierzu herangezogen werden.
Aufgrund der Flughöhe von Luftfahrzeugen resultiert eine deutlich größere Distanz zwischen Angreifer und System. Diese kann durch entsprechend angepasste Prüfdistanzen bei der Qualifizierung des Schutzsystems berücksichtigt werden.
Zusammenfassung
Der ballistische Schutz für militärische Hubschrauber ist eine besondere Herausforderung, da er einerseits gegen KE-Bedrohungen wie Maschinengewehrbeschuss schützen muss, andererseits aber extrem leicht sein muss.
Im Gegensatz zu Landfahrzeugen gibt es keine universellen Standards wie STANAG 4569. Stattdessen orientieren sich Schutzlösungen oft an NIJ oder VPAM. Eine zusätzliche Herausforderung ist die Einhaltung von EASA-Zulassungsnormen, da Schutzsysteme die Flugleistung nicht gefährden dürfen.
Besonders Transport- und Truppentransporter profitieren von gezieltem Schutz im Frachtraum, um Insassen besser vor Beschuss und Splittern zu schützen. Ansonsten hat der Schutz von Pilot und Co-Pilot oberste Priorität.
Die Kombination aus leichten Verbundwerkstoffen, modularen Schutzkonzepten und gezieltem Schutz für Cockpit und Frachtraum sorgt für eine optimierte Überlebensfähigkeit. In Verbindung mit aktiven Gegenmaßnahmen wie Infrarot-Täuschkörpern und DIRCM-Systemen können militärische Hubschrauber in modernen Einsatzszenarien bestmöglich geschützt werden.
Trotz aller Fortschritte bleibt der ballistische Schutz von Helikoptern ein komplexer Kompromiss zwischen Sicherheit, Gewicht und Flugeigenschaften – und eine kontinuierliche Herausforderung für Ingenieure und Streitkräfte.
Mehler Protection begegnet diese Herausforderung durch kontinuierliche Validierung der Systeme, etablierte Partnerschaften sowie dem Schwerpunkt in Forschung und Entwicklung.
Bilder und Grafiken: Mehler Protection, Mehler Engineered Defence GmbH (All rights reserved, 2025)