Exoskelett: Technologie, die menschliche Grenzen neu definiert
Stellen Sie sich vor, Sie schlüpfen in den Hightech-Anzug von Tony Stark aka Iron Man und erhalten dadurch übermenschliche Kräfte – eine Vision aus Science-Fiction, die uns fasziniert und inspiriert. Exoskelette, obwohl (noch) nicht so fortschrittlich wie die Technologie von Tony Stark, sind längst keine bloße Fantasie mehr.
Die Vielfalt der Exoskelette spiegelt sich in ihrer Anpassungsfähigkeit wider: Sie werden individuell auf die Bedürfnisse und Anforderungen des jeweiligen Nutzers zugeschnitten. Sie unterstützen Menschen bei körperlichen Anstrengungen, helfen in der Rehabilitation und finden zunehmend ihren Weg in industrielle Anwendungen und spielen zugleich eine große Rolle in der militärischen und zivilen Verteidigung.
Exoskelette sind auf dem besten Weg, unser Verständnis von menschlicher Leistungsfähigkeit neu zu definieren. Besonders in kritischen Einsatzszenarien bieten sie enormes Potenzial, da sie Anwendern ermöglichen, ihre Leistung zu steigern und ihre physischen Belastungen zu minimieren.
Ursprünge des Exoskeletts
Definition des Exoskeletts
Ein Exoskelett ist ein “am Körper getragenes Gerät (mit elektronischem Antrieb), das Bewegungen des Körpers unterstützt bzw. ersetzt (z. B. bei gelähmten Menschen) oder das Heben schwerer Lasten am Körper unterstützt”1. Manchmal auch als „tragbare Roboter“ bezeichnet, können Exoskelette batteriebetrieben oder computergesteuert sein und über Motoren und Hydraulik verfügen. Sie können aber auch passive Konstruktionen sein, die Federn und Dämpfer verwenden.
Ursprung des Exoskeletts
Noch bevor der Begriff Exoskelett erstmalig Verwendung fand, entwickelte der Wissenschaftler Nicholas Yagn 1889 zwei patentiere Apparate, die den Träger bei der medizinischen Rehabilitation unterstützen sollten. Somit wurde das Gehen und Laufen und nach Weiterentwicklung zusätzlich auch das Springen erleichtert2. Diese rein mechanischen Systeme gehören zu den ältesten Entwürfen, welche die menschliche Leistungsfähigkeit während des Tragens verbessern und dadurch die Ermüdung des Trägers verlangsamen. Sie bauen auf Federn auf, um die Umverteilung der Energie vom Träger zur Bewegung zu erleichtern. Yagns Experimente bilden die Grundlage für die stetige Weiterentwicklung der heutigen Exoskelette.
Weiterentwicklung der Exoskelette
In den 1960er Jahren stand die Entwicklung von Exoskeletten an einem bedeutenden Wendepunkt. Ein bemerkenswertes Beispiel dieser Ära war das „Hardiman I“, das 1965 von Neil J. Mizen (General Electric) in Zusammenarbeit mit der US-Armee und der Marine entwickelt wurde. Dieses Ganzkörper-Exoskelett sollte durch den Einsatz von hydraulischen und elektrischen Systemen die Kraft und Ausdauer des Trägers erheblich steigern und war somit das erste Exoskelett seiner Art, dass nicht mehr rein mechanisch funktionierte3. Hauptzweck dieses Modells war die Unterstützung des Trägers beim Be- und Entladen von Fracht.
Neben „Hardiman I“ wurde 1969 ein weiteres Ganzkörper-Exoskelett patentiert, das Servomotoren nutzte, um die Bewegungen des Trägers zu unterstützen4. Dieses Gerät, auch als „Man Amplifier“ bezeichnet, zeigte, wie sich der Begriff „Exoskelett“ und die damit verbundene Technologie weiterentwickelten.
Diese frühen Modelle verdeutlichen den Wandel im Design und in der Funktionalität von Exoskeletten, der durch Fortschritte in der Wissenschaft und Technik in den folgenden Jahrzehnten weiter vorangetrieben wurde. Die frühen 1970er bis 1990er Jahre brachten bedeutende Entwicklungen hervor, die den Grundstein für die modernen Exoskelette legten, die heute in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen.
In den frühen 90er Jahren wurde das „Human Bipedal Locomotion Device“ entwickelt, ein Exoskelett, das speziell für die Unterstützung der unteren Gliedmaßen gedacht war und durch mechanische Systeme betrieben wurde5. Dieses Gerät ermöglichte große Schritte und trampolinartige Sprünge. Ein weiteres bedeutendes Exoskelett aus dieser Zeit ist das hydraulische, aktive Exoskelett von Boldt, das 1994 patentiert wurde und durch moderne Technologien wie Mikroprozessorsteuerung charakterisiert ist.
Der Fortschritt im 21. Jahrhundert brachte bemerkenswerte Entwicklungen hervor, darunter das Berkeley Lower Extremity Exoskeleton (BLEEX, Abbildung links) und das „quasi-passive Exoskelett“ (Abbildung rechts) von Conor Walsh6. Das BLEEX unterstützt das Tragen von Lasten mit hydraulischen Aktuatoren, während Walshs Exoskelett mechanische Systeme nutzt. Auch die Rehabilitationstechnologie machte Fortschritte mit dem „ARMin III“ von 2008, das für die Armtherapie entwickelt wurde7, und dem Handgelenk-Exoskelett von 2010, das durch EMG-Signale gesteuert wird8.
Diese Entwicklungen zeigen den Übergang von einfachen mechanischen Geräten zu komplexeren, technologisch fortschrittlicheren Exoskeletten, die für eine Vielzahl von Anwendungen, einschließlich Rehabilitation, eingesetzt werden.
Einsatz von Exoskeletten für Militär und Strafverfolgungsbehörden
Exoskelette wurden ursprünglich für den medizinischen Bereich entwickelt, um Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu helfen. Insbesondere in der Rehabilitation unterstützen sie Patienten dabei, nach Unfällen oder Erkrankungen wieder Kraft und Beweglichkeit zu erlangen. Doch die Fortschritte in der Technologie haben Exoskelette weit über ihren medizinischen Ursprung hinausgebracht. Sie finden zunehmend Anwendung im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, wo sie die körperliche Leistungsfähigkeit und Ausdauer ihrer Nutzer erheblich steigern können.
Einsatzkräfte sind bei ihren Missionen oft extremen Belastungen ausgesetzt: schwere Rucksäcke und Ausrüstung, lange Märsche durch unwegsames Gelände und harte physische Arbeit in Konfliktsituationen. Hier bieten Exoskelette entscheidende Vorteile, da sie nicht nur helfen, diese Belastungen besser zu bewältigen, sondern auch die Risiken für Verletzungen – insbesondere des Rückens – deutlich reduzieren.
Verbesserte Leistungsfähigkeit und Ausdauer im Einsatz
Der Einsatz von Exoskeletten in kritischen Szenarien fokussiert sich auf die Erhöhung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Schutz. Moderne Exoskelette entlasten den Anwender durch Unterstützung beim Tragen schwerer Ausrüstung. Dies ermöglicht den Einsatzkräften länger leistungsfähig zu bleiben und gleichzeitig Ermüdungserscheinungen zu minimieren. Dies ist besonders bei längeren Märschen oder Missionen entscheidend, bei denen die Einsatzkräfte mehrere Stunden oder sogar Tage ohne Pause im Einsatz sein können.
Die mechanische Unterstützung reduziert nicht nur die körperliche Anstrengung, sondern optimiert auch die Beweglichkeit der Anwender. Dies führt zu einer höheren Effizienz und schnelleren Reaktionsfähigkeit im Einsatz. Das Exoskelett fungiert dabei als Erweiterung des Körpers, das es erlaubt, in Extremsituationen mehr zu leisten, ohne die eigenen körperlichen Grenzen zu überschreiten.
Schutz und Sicherheit in kritischen Situationen
Ein Unterschied zwischen militärischen und zivilen Exoskeletten ist die Integration von ballistischem Schutz. Während Exoskelette in der Industrie und Logistik vor allem auf Unterstützung bei schweren Arbeiten ausgelegt sind, sollen Exoskelette in kritischen Einsatzszenarien darüber hinaus zusätzlichen Schutz bieten. Ballistische Elemente (sowohl Hart- als auch Softballistik), die am Exoskelett adaptiert werden, erhöhen den Schutz lebenswichtiger Bereiche vor verschiedenen Bedrohungen, einschließlich Schusswaffen und Splitter, ohne den Träger übermäßig zu belasten.
Das Exoskelett dient dabei als multifunktionales Werkzeug, das sowohl die körperliche Leistungsfähigkeit erhöht als auch die Sicherheit der Einsatzkräfte in lebensgefährlichen Situationen gewährleistet. Es können zusätzliche Schutzkomponenten in höheren Schutzklassen adaptiert werden.
Ausblick: Erhöhter Schutzbedarf für Einsatzkräfte
Mit den zunehmenden technologischen Fortschritten und der steigenden Nachfrage nach innovativen Lösungen zur Unterstützung von Einsatzkräften, wird die Verwendung von Exoskeletten in Einsatzszenarien weiter zunehmen. Sie werden nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit der Anwender verbessern, sondern auch ihre Sicherheit und Überlebensfähigkeit in gefährlichen Situationen erhöhen.
Exoskelette können in Zukunft ein Standardbestandteil der dienstlichen Ausrüstung werden, da sie nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch dazu beitragen, die Kosten für die medizinische Versorgung von Verletzungen zu senken. Zudem eröffnen sie neue strategische Möglichkeiten, da Einsatzkräfte mit ihrer Hilfe länger und effektiver operieren können.
Ganzkörper-Exoskelette
Ganzkörper-Exoskelette versetzen Militär und Strafverfolgungsbehörden in die Lage, über längere Zeiträume schwere Ausrüstungen zu tragen, ohne schnell zu ermüden. Diese Systeme verteilen das Gewicht der Lasten gleichmäßig auf den Körper und reduzieren somit die körperliche Belastung. Einige dieser Modelle sind speziell darauf ausgelegt, beim Tragen von Vorräten oder bei Evakuierungen zu helfen, indem die Einsatzkräfte große Gewichte heben können, ohne dabei die Beweglichkeit zu beeinträchtigen.
Exoskelette für spezifische Körperteile
Spezialisierte Exoskelette, die nur bestimmte Körperteile unterstützen, können verwendet werden, um Verletzungen gezielt zu behandeln oder die Rehabilitation zu unterstützen. Zum Beispiel könnten Geräte, die das Kniegelenk entlasten, nach einer Verletzung verwendet werden, um die Mobilität der Einsatzkraft wiederherzustellen und die Rückkehr zum Einsatz zu beschleunigen. Auch im Training könnten solche Exoskelette nützlich sein, um Anwender vor Überlastungen oder Verletzungen zu schützen.
Der Gebrauch von Exoskeletten zeigt klar das Potenzial, die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern, die Erschöpfung zu verringern und die Belastung durch schwere Ausrüstungen zu minimieren. Durch diese Entwicklungen können Einsatzkräfte effizienter, widerstandsfähiger und besser geschützt in ihren Missionen agieren.
Zusammenfassung
Die Entwicklung von Exoskeletten stellt einen beeindruckenden Fortschritt von den ersten mechanischen Konzepten bis hin zu modernen Hightech-Lösungen dar. Ihr Einsatz in Konfliktsituationen bietet vielversprechende Perspektiven für die Zukunft. Exoskelette unterstützen Einsatzkräfte dabei, ihre körperlichen Grenzen zu überwinden und gleichzeitig Schutz zu bieten. Dadurch könnten sie in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle in der Strategie moderner Sicherheitskräfte spielen.
Erfahren Sie mehr: In Zusammenarbeit mit Mawashi Science & Technology, einem der führenden Institute zum Thema Exoskelettentwicklung, und GIGN, eine taktische Eliteeinheit der französischen Gendarmerie, und Mehler Protection ist das bahnbrechende ExoM Up-Armoured Exoskeleton entstanden.
Erfahren Sie mehr: ExoM Up-Armoured Exoskeleton
Quellen
- 1Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (URL: https://www.dwds.de/wb/Exoskelett, abgerufen am 06.09.2024.)
- 2Yagn, 1889 (Nicholas Yagn. Apparatus to facilitate walking and running, 1889.)
- 3Makinson, 1971 (B. J. Makinson. Research and Development Prototype for Machine Augmentation of Human Strength and Endurance. Hardiman I Project. Technical Report 196, General Electric, 1971.)
- 4Mizen, 1969 (Neil J. Mizen. POWERED EXOSKELETON APPARATUS FOR AMPLIFYING HUMAN STRENGTH IN RESPONSE TO NORMAL BODY MOVEMENTS, 1969.)
- 5Dick and Edwards, 1991 (G. John Dick and Eric A. Edwards. HUMAN BIPEDAL LOCOMOTION DEVICE, 1991.)
- 6Zoss et al., 2005 (Adam Zoss, H. Kazerooni, and Andrew Chu. On the mechanical design of the Berkeley Lower Extremity Exoskeleton (BLEEX). 2005 IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems, IROS, pages 3132–3139, 2005.)
- 7Nef et al., 2009 (Tobias Nef, Marco Guidali, and Robert Riener. ARMin III – arm therapy exoskeleton with an ergonomic shoulder actuation. Applied Bionics and Biomechanics, 6(2):127–142, jul 2009.)
- 8Khokhar et al., 2010 (Zeeshan O. Khokhar, Zhen G. Xiao, and Carlo Menon. Surface EMG pattern recognition for real-time control of a wrist exoskeleton. BioMedical Engineering OnLine, 9(1):41, 2010.)
Bilder und Grafiken
- Mehler Protection, Mehler Vario System GmbH (All rights reserved, 2024)
- Mizen, 1969 (Neil J. Mizen. POWERED EXOSKELETON APPARATUS FOR AMPLIFYING HUMAN STRENGTH IN RESPONSE TO NORMAL BODY MOVEMENTS, 1969.)
- Yagn, 1889 (Nicholas Yagn. Apparatus to facilitate walking and running, 1889.)