
Tarnung im Wandel: Warum die Bundeswehr auf Multitarn setzt
Ab 2026 beginnt für die Bundeswehr eine tiefgreifende Veränderung in der persönlichen Ausrüstung ihrer Soldatinnen und Soldaten: Das bisherige Standard-Tarnmuster „Flecktarn“ wird durch das Muster „Multitarn“ ersetzt. Die flächendeckende Umrüstung der Truppe ist für die Jahre 2028 und 2029 vorgesehen.
Was zunächst wie ein rein optischer Wechsel erscheint, ist in Wahrheit das Ergebnis jahrelanger taktischer, wissenschaftlicher und praktischer Überlegungen und insbesondere ein bedeutender Schritt hin zu einer flexibleren, zukunftsorientierten Streitkraft.
Flecktarn der Bundeswehr
Das traditionelle Tarnmuster der Deutschen Bundeswehr besteht aus fünf Farbtönen: Hellgrün, Helloliv, Dunkelgrün, Braun und Schwarz. Die punktförmige Anordnung der Farben sorgt für eine effektive Tarnung in gemäßigten Waldgebieten Europas.
Für Einsätze in ariden Regionen wurde das Muster als „Tropentarn“ angepasst, das aus drei Farbtönen besteht.
Multitarn des Kommando Spezialkräfte
Multitarn umfasst sechs Farbtöne, abgestimmt auf unterschiedliche Einsatzumgebungen: Dunkel- und Hellgrün für Vegetation, Braun für erdige Flächen sowie Beige und Hellgrau für urbane und steinige Umgebungen. Die Farben verlaufen weich und organisch, wodurch die Konturen des Trägers effektiv verwischt werden. Zudem ist Multitarn für den Einsatz mit Nachtsichttechnik optimiert und weist eine reduzierte Infrarotsignatur auf.
Internationale Tarnmuster im Vergleich
Fast jedes Land entwickelt eigene Tarnmuster, angepasst an geografische, klimatische und taktische Anforderungen. Dabei dominieren zwei Ansätze:
- Spezialisierte Muster für bestimmte Umgebungen (z. B. Wald, Wüste, Schnee)
- Universelle Muster, die in möglichst vielen Szenarien funktionieren
Beispiele internationaler Tarnmuster
- Multicam (USA, NATO): Universell einsetzbar, von Crye Precision entwickelt
- MTP (Großbritannien): Kombination aus DPM und Multicam
- MARPAT (USMC): Digitales Muster mit pixelartiger Struktur
- EMR / Digital Flora (Russland): Optimiert für Wälder und Steppen
- TAZ 90 (Schweiz): Vielseitig, auch für internationale Einsätze
- Pantera Wz. 93 (Polen): Disruptives Muster für gemischtes Gelände
- CCE (Frankreich): Für mitteleuropäische Vegetation
- M05 (Finnland): Sommer- und Wintervarianten für Wälder und Sümpfe
Digitale vs.organische Muster
Digitale Muster wie MARPAT oder EMR bieten Vorteile bei mittlerer Distanz und Nachtsicht. Organische Muster wie Flecktarn oder Multitarn setzen auf natürliche Formen und Farbverläufe, besonders effektiv in bewachsenen Umgebungen.
Multitarn ersetzt Flecktarn
Besonders in urbanen Räumen, wo heute ein Großteil moderner Gefechte stattfindet, bietet der 6-Farb-Multitarn laut Studien eine bessere Tarnwirkung als der klassische 5-Farb-Flecktarn. Das Erscheinungsbild wirkt viel heller, da dunklere Farbtöne wie schwarz nicht mehr verwendet und andere reduziert werden. Auch die sich verändernde Vegetation in Europa spielte eine Rolle bei der Entscheidung für das neue Muster.
In unabhängigen Tests wurde Multitarn mit anderen NATO- und kommerziellen Mustern verglichen. Dabei zeigte sich, dass es in mittlerer Vegetation und urbanen Umgebungen besonders effektiv ist. Zwar gibt es spezialisierte Muster, die in bestimmten Szenarien besser abschneiden, doch Multitarn bietet einen idealen Kompromiss zwischen Tarnwirkung und Vielseitigkeit.
Taktische und strategische Überlegungen
- Sicherheit: Die bisherige Exklusivität von Multitarn für Spezialkräfte wie das KSK führte zu Identifizierbarkeit – ein taktischer Nachteil.
- Einheitlichkeit: Die Vereinheitlichung vereinfacht Logistik und Materialverteilung.
- Rechte & Kontrolle: Die Eigenentwicklung liegt in Bundesbesitz – das schützt vor unautorisierten Kopien.
- Vielseitigkeit: Multitarn funktioniert in Wald, Stadt, Übergangsgebieten und sogar in Teilen von Wüstenregionen.
Zusammenfassung
Die Einführung von Multitarn ist Teil eines globalen Trends: weg von hochspezialisierten Mustern, hin zu flexiblen, einsatzübergreifenden Designs. Dabei bleibt jedes Land geprägt von seiner Geografie, Einsatzdoktrin und technologischen Möglichkeiten.
Mit Multitarn setzt die Bundeswehr ein klares Zeichen für moderne Gefechtsführung, taktische Flexibilität und strategische Einheitlichkeit. Tarnung ist längst mehr als nur Optik. Sie ist ein integraler Bestandteil militärischer Effektivität.
Quellen
- epig group: Der ultimative Tarnmustervergleich – NATO, KSK, Bundeswehr, US Army, USMC vs. kommerzielle Muster
- Military Machine: Top 20 Military Camouflage Patterns Around the World
- Optics Bible: Flecktarn vs. Multicam – Unterschiede und Einsatzbereiche
Bilder und Grafiken
- Mehler Protection, Mehler Vario System GmbH (All rights reserved, 2025)
- UF PRO, UNI&FORMA d.o.o., Flecktarn
- Thomas Niedermueller, Multitarn